Die Versäuerung von Roggenmehl durch einen Sauerteig ist wichtig, um die negativen Auswirkungen der wasserbindenden Pentosane im Mehl zu reduzieren. Roggenmehl ist außerdem sehr enzymreich, so dass die Mehlstärke beim Backen fast vollständig abgebaut würde. Aus diesem Grund sollte eine roggenhaltige Backware immer mit einem Sauerteig angesetzt werden. Auch wenn die modernen Roggensorten deutlich weniger Enzyme enthalten und die Säuerung für gute Backeigenschaften nicht mehr ganz so ausschlaggebend ist, verbessert sie die Teigbeschaffenheit, sorgt für einen charakteristischen Geschmack und verlängert die Haltbarkeit der Backware.
Je nach Zusammensetzung des verwendeten Sauerteiges, also der Kombination von unterschiedlichen Parametern wie beispielsweise dem Wassergehalt (Teigausbeute) und der Reifetemperatur, entstehen unterschiedliche Sauerteig-Starter (auch Anstellgut genannt). Diese werden dann in sogenannten Sauerteig-Führungen zu Teigvorstufen und letztendlich zu Backwaren verarbeitet. Die Wahl der Sauerteig-Führung beeinflusst sowohl den Geschmack als auch die backtechnischen Eigenschaften.
Mein Roggensauerteig
Für die meisten meiner roggenhaltigen Rezept verwende ich einen Sauerteig-Starter nach der Detmolder Einstufen-Führung. Sie ist sehr einfach zu handhaben und zeitlich gut in den Tagesablauf integrierbar. Da ich den Sauerteig-Ansatz meist bei Raumtemperatur reifen lassen, füge ich ihm eine recht hohe Anstellgutmenge von 20% hinzu. Im Sommer, wenn die Raumtemperaturen deutlich höher liegen, reduziere ich die Menge auf 5-10%. Meine Rezepte benötigen theoretisch keine zusätzliche Hefe, da ich mein Anstellgut häufig auffrische und es ausreichend Triebkraft besitzt. Eine Zugabe ist dennoch empfehlenswert, das sie den Geschmack abrundet, den Säureeindruck mindert und für ausreichend Triebkraft sorgt.
Mein Roggenanstellgut
- Teigausbeute: 200 (100% Wasser und 100% Mehl)
- Anstellgutmenge: 20% der Mehlmenge im Sauerteig
- Beispiel: 25g Wasser, 25g Roggenvollkornmehl und 5g Anstellgut
Meine Sauerteig-Führung
- Sauerteig-Stufen: 1 Stufe
- Reifezeit: 8-12 Stunden (meist über Nacht)
- Reifetemperatur: 20-23°C (Raumtemperatur)
- Anstellgutmenge: 20% der Mehlmenge im Sauerteig
- Versäuerung: 35-60% der Roggenmehlmenge
- Hefezugabe: 1-1,5% bezogen auf die Gesamtmehlmenge
Führungsarten
Insbesondere bei Roggensauerteigen gibt es im Vergleich zu Weizensauerteigen zahlreiche traditionelle und fest etablierten Sauerteig-Führungen. Diese gewährleisten vor allem eine geschmackliche Konsistenz und gleichbleibende Qualität bei der Herstellung von Backwaren. Prinzipiell kann ein Sauerteig aber geführt werden, wie es einem beliebt. Lies hierfür den Blogeintrag Sauerteig umzüchten. Hier kannst du nachlesen, welche Sauerteig-Parameter sich wie auf deinen Sauerteig auswirken und warum du durch Veränderung einer dieser Parameter einen “neuen” Sauerteig-Starter herstellen kannst.
Berliner Kurzsauerführung
Diese Sauerteig-Führung ist charakterisiert durch eine sehr kurze und milde Säurebildung. Der Sauerteig besitzt eine hohe Teigausbeute und wird bei warmen Temperaturen gereift. Er besitzt daher ein ausgeprägtes Aroma mit allerdings wenig Triebkraft. Dem Teig sollte zur Lockerung Frischhefe beigegeben werden.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 1 Stufe
- Säuregrad: 9-10
- Reifezeit: 3-4 Stunden
- Reifetemperatur: 35°C
- Teigausbeute: 190
- Anstellgutmenge: 20% der Mehlmenge im Sauerteig
- Versäuerung: 50-70% der Roggenmehlmenge
- Hefezugabe: 1-1,5% bezogen auf die Gesamtmehlmenge
Monheimer Salzsauer-Führung
Diese Sauerteig-Führung ist charakterisiert durch ihre Salzzugabe zum Sauerteig. Diese wirkt konservierend und ermöglicht eine sehr lange Verarbeitungszeit des Sauerteigs von bis zu 24 Stunden. Dieser bildet allerdings ein sehr säureintensives Aroma aus. Die beigefügte Salzmenge muss übrigens bei der späteren Teigherstellung berücksichtigt werden.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 1 Stufe
- Säuregrad: 20
- Reifezeit: 18-24 Stunden
- Reifetemperatur: 35°C fallend auf 20°C
- Teigausbeute: 200
- Anstellgutmenge: 20% der Mehlmenge im Sauerteig
- Salzzugabe: 2% der Mehlmenge im Sauerteig
- Versäuerung: 30-40% der Roggenmehlmenge
- Hefezugabe: 1-1,5% bezogen auf die Gesamtmehlmenge
Detmolder Einstufen-Führung
Diese Sauerteig-Führung ist besonders geeignet für die Herstellung über Nacht. Außerdem kann sein Säuregrad durch die Reifetemperatur und Menge des Anstellgutes von kräftig-säuerlich bis mild-säuerlich beeinflusst werden. Dabei gilt: Je höher die Temperatur, desto geringer die Zugabemenge.
Aus Sicht der Bundesfachschule des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim erreicht man bei 28°C Reifetemperatur und 2% Anstellgutmenge beste Eigenschaften, so dass diese Parameter als Weinheimer Qualitätssauerführung empfohlen werden.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 1 Stufe
- Säuregrad: 17-20
- Reifezeit: 16-24 Stunden
- Reifetemperatur: 20-23°C, 24-25°C oder 26-27°C oder 28-29°C
- Teigausbeute: 180-200
- Anstellgutmenge: 20%, 10%, 5% oder 2% der Mehlmenge im Sauerteig
- Versäuerung: 35-60% der Roggenmehlmenge
- Hefezugabe: 1-1,5% bezogen auf die Gesamtmehlmenge
Detmolder Zweistufen-Führung
Bei dieser Sauerteig-Führung stellt man einen Grundsauer (1. Stufe) und aus diesem einen Vollsauer (2. Stufe) her. Dieses Verfahren ist ein wenig aufwendiger und muss gut geplant werden, da der Vollsauer zeitnah verarbeitet werden muss.
Um das Rezept zu berechnen wird die Anstelgutmenge mit 16 multipliziert um die Mehlmenge und mit 8 multipliziert um die Wassermenge im Grundsauer zu erhalten. Die Anstellgutmenge wiederum soll 2,5% der zu versäuernden Mehlmenge betragen. Nachdem man den Grundsauer hergestellt hat nimmt man diesen und setzt ihn erneut 1:1:1 mit der gleichen Menge Wasser und Mehl an. Der spätere Hauptteig reift bei 27°C für 10-20 Minuten und hat eine theoretische Teigausbeute von 165.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 2 Stufen
- Säuregrad: 10
- Reifetemperatur: 27°C fallend auf 23°C
- Versäuerung: 30-50% der Roggenmehlmenge
- Hefezugabe: 0,5-1,5% bezogen auf die Gesamtmehlmenge
Grundsauer
- Reifezeit Grundsauer: 15-20 Stunden
- Teigausbeute Grundsauer: 150
- Anstellgutmenge Grundsauer: nicht zwingend erforderlich
Vollsauer
- Reifezeit Vollsauer: 3-4 Stunden
- Teigausbeute Vollsauer: 180
Detmolder Dreistufen-Führung
Diese Sauerteig-Führung ist der Goldstandard. Man stellt einen Anfrischsauer (1. Stufe), einen Grundsauer (2. Stufe) und zuletzt einen Vollsauer (3. Stufe) her. Hierdurch werden die Mikroorganismen im Teig optimal in ihren Lebenszyklen unterstützt. Das bedeutet die Backwaren erhalten eine ausreichende Lockerung, Säuerung und Aromabildung. Der spätere Hauptteig reift bei 27°C für 10-20 Minuten und hat eine theoretische Teigausbeute von 168.
Zwar bietet die Detmolder Dreistufen-Führung viele Vorteile bei der Teigherstellung, allerdings ist sie sehr aufwendig und die Berechnung der Rezeptur nicht ganz trivial. Für den Hobbybäcker ist sie daher nicht zu empfehlen.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 3 Stufen
- Säuregrad: 10-13
- Versäuerung: 30-60% der Roggenmehlmenge
Anfrischsauer (Hefevermehrung)
- Reifezeit Grundsauer: 8 Stunden
- Reifetemperatur: 25°C
- Teigausbeute Grundsauer: 200
- Anstellgutmenge Grundsauer: 0,8% der zu versäuernden Mehlmenge
Grundsauer (Aromabildung)
- Reifezeit Grundsauer: 8 Stunden
- Reifetemperatur: 25°C
- Teigausbeute Grundsauer: 160
Vollsauer (Säurebildung)
- Reifezeit Vollsauer: 3 Stunden
- Reifetemperatur: 30°C
- Teigausbeute Vollsauer: 200
Schaumsauerverfahren
Das Schaumsauerverfahren ist mit 5 Stufen die aufwendigste Sauerteig-Führung. Ihr charakteristisches Merkmal ist eine sehr hohe Teigausbeute, das Einbringen von Luft bei der Herstellung und ein dreistündiger Reifezyklus um einen sehr milden und besonders triebstarken Teig zu erhalten. Der spätere Hauptteig reift bei 27°C für 10-20 Minuten und hat eine theoretische Teigausbeute von 168.
Parameter
- Sauerteig-Stufen: 5 Stufen
- Säuregrad: weniger als 10
- Anstellgutmenge: 0,5-1,5% der Gesamtmehlmenge
- Versäuerung: 40-50% der Roggenmehlmenge
1. bis 3. Stufe
- Reifezeit: 3 Stunden
- Reifetemperatur: 22-24°C
- Teigausbeute: 300
4. Stufe
- Reifezeit: 8 Stunden
- Reifetemperatur: 22-24°C
- Teigausbeute: 215
5. Stufe
- Reifezeit: 3 Stunden
- Reifetemperatur: 30-32°C
- Teigausbeute: 265