Ich möchte dir eine Technik vorstellen, die für viele Menschen ein Buch mit sieben Siegeln ist: das Tourieren. Bei dieser Technik wird Ziehfett schichtweise in den Grundteig eingearbeitet. Dadurch entsteht ein Ziehteig, aus dem man verschiedene Feingebäcke herstellen kann. Abhängig von der Wahl des Grundteigs, der Fettmenge und der Anzahl der Schichten (Touren) erhält man entweder Plunderteig oder Blätterteig.
Das Besondere am Tourieren ist die physikalische Lockerung des Teigs durch Wasserdampf. Die eingezogenen Fettschichten wirken wie eine Art Dampfsperre für das beim Backen verdampfende Wasser. Der entstehende Wasserdampf hebt so die einzelnen Teigschichten voneinander ab. Dadurch wird der Teig besonders locker und zart. Das Tourieren erfordert zwar ein wenig Übung, aber mit etwas Geduld und der Beachtung aller Besonderheiten dieser Technik wirst du schnell ein Experte darin. Nun aber genug der Theorie – lass uns an die Praxis gehen! Mit der folgenden Schritt-für-Schritt-Anleitung zeige ich dir, wie du deinen eigenen Ziehteig herstellen und zu einer Backware verarbeiten kannst. Aber auch, wie man die Teigreste zu einer Raffinierten Backware verwerten kann.
Das Ziehfett
Als Ziehfett werden in professionellen Bäckereien spezielle Ziehfette oder sogenannte Ziehmargarinen verwendet, die für den Hobbybäcker oft schwer zu bekommen sind. Aber lass dich davon nicht abschrecken. Es gibt eine einfache Alternative: Stelle dein eigenes Ziehfett in Form von Tourierbutter her. Diese wird hergestellt, indem man Butter und Mehl in einem bestimmten Verhältnis mischt. Im Gegensatz zu handelsüblichem Ziehfett zeichnet sich selbstgemachte Tourierbutter durch einen niedrigeren Schmelzpunkt und einen höheren Wassergehalt aus. Daher sollte sie idealerweise bei einer Temperatur von ca. 18°C verarbeitet werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Tourierbutter
Die Butter wird mit 10% Mehl, bezogen auf die Buttermenge, vermischt.
Die Verarbeitungstemperatur der Butter beträgt ~18°C.
- 10 Teile Butter
- 1 Teil Mehl
Der Grundteig
Je nachdem, welches Gebäck du herstellen möchtest, ist die Wahl des richtigen Grundteigs von entscheidender Bedeutung. Bei der Teigherstellung musst du dich zunächst entscheiden, ob du einen Blätterteig oder einen Plunderteig möchtest. Während der Grundteig für Blätterteig aus einem einfachen Weizenteig ohne Triebmittel besteht, basiert Plunderteig auf einem leichten Hefeteig. Innerhalb der Plunderteige gibt es wiederum feine Unterschiede: Der deutsche Plunderteig ist ein weniger gehaltvoller Teig, der häufig für Plundergebäck verwendet wird, während der dänische Plunderteig eine fettreiche Konsistenz hat und häufig für gefüllte Gebäcke verwendet wird. Ein spezieller Plunderteig ist der für Croissants, da er die charakteristische luftige Konsistenz dieses Gebäcks ergibt. Um dir einen Anhaltspunkt zu geben, habe ich dir hier ein universelles Rezept für Plunder- und Blätterteig zusammengestellt.
Grundteig für Blätterteig
- 100% Weizenmehl
- 50% Wasser
- 1% Salz
- ggf. 2% Zucker
- ggf 4% Eigelb
- ggf. 7% Butter
- ggf. 4% Essig
Grundteig für Plunderteig
- 100% Weizenmehl
- 45% Milch oder Alternative
- 7% Frischhefe, bio
- 1% Salz
- 10% Zucker
- 10% Vollei
- 10% Butter
Grundteig für Croissants
- 100% Weizenmehl
- 45% Milch oder Alternative
- 6% Frischhefe, bio
- 1,5% Salz
- 1,5% Zucker
- 15% Vollei
- 5% Butter
Touren berechnen
Die Anzahl der für die Herstellung eines Ziehteiges erforderlichen Fettschichten, den sogenannten Touren, steht in direktem Zusammenhang mit dem Fettanteil, der im Verhältnis zur Mehlmenge eingearbeitet wird. Für einen deutschen Plunderteig ist beispielsweise ein Fettgehalt von mindestens 30 % erforderlich, während Blätterteig einen Fettgehalt von meist 100 % aufweist. Generell gilt, dass mit steigendem Fettgehalt die Anzahl der Fettschichten zunimmt, die für ein optimales Backergebnis erforderlich sind. Obwohl es keine festen Werte für die Anzahl der Fettschichten gibt, existieren einige gängige Richtlinien: Croissants haben typischerweise 12-36 Fettschichten, Plunderteige 27-192 Schichten und ein Blätterteig hat mindestens 144 Schichten. Um nun zu bestimmen, wie viele Touren für eine bestimmte Anzahl von Fettschichten erforderlich sind, kann folgende Faustregel angewendet werden: Eine einfache Tour ergibt 3 Fettschichten, eine doppelte Tour 4 Fettschichten. Mit jeder weiteren Tour nimmt die Anzahl der Schichten potenziert zu. Es ist jedoch zu beachten, dass in internationalen Rezepturen oft andere Berechnungsmethoden verwendet werden, so dass es ratsam ist, sich immer genau an die spezifische Rezeptur zu halten und sich nicht durch abweichende Angaben verwirren zu lassen.
Ziehfett | Touren | Berechnung | Fettschichten |
15-20% | 2 einfache | 3 x 3 | 9 Schichten |
20-30% | 1 einfache + 1 doppelte | 3 x 4 | 12 Schichten |
30-40% | 3 einfache | 3 x 3 x 3 | 27 Schichten |
40-50% | 2 einfache + 1 doppelte | 3 x 3 x 4 | 36 Schichten |
50-60% | 1 einfache + 2 doppelte | 3 x 4 x 4 | 48 Schichten |
60-80% | 3 einfache + 1 doppelte | 3 x 3 x 3 x 4 | 108 Schichten |
80-100% | 2 einfache + 2 doppelte | 3 x 3 x 4 x 4 | 144 Schichten |
100% | 1 einfache + 3 doppelte | 3 x 4 x 4 x 4 | 192 Schichten |
Hinweise zum Tourieren
Um einen perfekten Ziehteig herzustellen, muss darauf geachtet werden, dass die Verarbeitungstemperatur des Grundteiges und des Ziehfettes nicht zu hoch ist. Warum ist das so wichtig? Wenn sich beide während des Tourierens zu stark erwärmen, kann das Ziehfett schmelzen und sich schlecht im Teig verteilen. Der Teig wird dann brüchig und lässt sich schlecht aufarbeiten. Um dies zu vermeiden, sollten die Zutaten während der Verarbeitung ausreichend gekühlt werden. Beachte daher folgende Grundregeln:
- die Teigruhe erfolgt immer kühl, d.h. bei 5°C im Kühlschrank
- Ziehfett und Grundteig müssen bei ~18°C verarbeitet werden
- die Teigruhe erfolgt zwingend nach jedem Arbeitsschritt
- verpacke den Teig hierfür immer luftdicht in Papier oder Folie
- den Teig bei der Herstellung nie dünner als 8mm ausrollen
- arbeite mit möglichst wenig Mehl und entferne den Überschuss
- backfertige Ziehteige werden ~3mm dick ausgerollt und aufgearbeitet
- Ziehteige werden in der Regel unter Schwadengabe gebacken
Schritt-für-Schritt
Obwohl das Tourieren auf den ersten Blick kompliziert erscheint, kann es mit Geduld, Übung und der richtigen Anleitung von jedem beherrscht werden. In der folgenden Schritt-für-Schritt-Anleitung führen ich dich durch den gesamten Prozess des Tourierens und gebe dir wertvolle Tipps für ein optimales Backergebnis. Los geht’s!
Grundteig herstellen
Vor dem eigentlichen Tourieren ist es wichtig, den richtigen Grundteig auszuwählen, je nachdem, ob Plunderteig, Blätterteig oder Croissant-Plunder hergestellt werden soll. Bereite den Teig gemäß Rezept zu. Wenn der Grundteig ein Triebmittel enthält, lasse ihn eine halbe Stunde bei Zimmertemperatur gehen. Anschließend wird der Teig zu einem Rechteck ausgerollt. Um ihn vor dem Austrocknen zu schützen, wickle ihn in Backpapier oder Frischhaltefolie ein. Anschließend sollte der Teig mindestens eine Stunde im Kühlschrank ruhen und auskühlen, damit er sich später besser verarbeiten lässt.
Ziehfett herstellen
Tourierbutter ist ein unverzichtbarer Bestandteil beim Tourieren und kann mit wenigen Handgriffen selbst hergestellt werden. Zunächst wird zimmerwarme Butter mit Mehl zu einer homogenen Masse verrührt. Verteile diese Masse danach gleichmäßig auf einem Stück Backpapier. Falte das Papier wie einen Briefumschlag rechteckig um die Butter. Um die Butter gleichmäßig dünn auszurollen, eignen sich besonders gut Ausrollhilfen aus Holzstäben. Diese gibt es meist in den Stärken 3, 5 und 10mm. Ziel ist es, die Butter, wie in der Abbildung gezeigt gleichmäßig dick auszurollen. Ist dies erreicht, wird die sie für einige Zeit in den Kühlschrank gelegt, damit sie vor der Weiterverarbeitung wieder fest wird.
Grundteig und Ziehfett kombinieren
Als nächstes musst du dich entscheiden, wie du deinen Grundteig mit der Ziehbutter kombinierst. Ich empfehle dir die deutsche Methode. Hierbei wird die Ziehbutter mit dem Grundteig ummantelt und anschließend touriert (erste Abbildung). Die folgende Schritt-für-Schritt-Anleitung ist nach dieser Methode hergestellt. Wenn du möchtest, kannst du natürlich auch eine der anderen gezeigten Methoden wählen. Wenn du mehr über diese Varianten erfahren möchtest, schau unter Blätterteig nach, denn die verschiedenen Blätterteigarten sind nach ihnen benannt.
Ziehfett einschlagen
Rolle nun den Grundteig auf die doppelte Größe deiner Tourierbutter und mit einer Mindestdicke von 8 mm aus. Eine Ausrollhilfe kann dabei ein wertvolles Hilfsmittel sein. Anschließend nimmst du deine Tourierbutter und platzierst sie wie auf dem Bild auf dem Grundteig. Beim Entfernen des Backpapiers ist es wichtig, dass dies in einem flachen Winkel geschieht. So wird verhindert, dass die Butter reißt oder sich ungleichmäßig vom Papier löst.
Falte den Teig, wie du ein Buch schließen würdest, über die Tourierbutter. Achte dabei darauf, dass es genau wie auf dem Bild aussieht und keine größeren Mengen Luft eingeschlossen werden. Die Ränder des Teigs sollten gut aneinander gedrückt werden, um ein Entweichen der Butter beim weiteren Ausrollen zu verhindern.
Im nächsten Schritt drehst du das so entstandene Teig-Paket um 90° gegen den Uhrzeigersinn, sodass die offenen Enden nun nach rechts weisen. Eine hilfreiche Eselsbrücke, um sich den Ablauf besser merken zu können, ist die Vorstellung, dass der Teig tatsächlich ein Buch ist. Wenn du das “Buch” so drehst, dass du es öffnen könntest, hast du alles richtig gemacht und bist bereit für die nächsten Schritt, die erste Tour.
Ziehteig tourieren
Nun rollst du den vor dir liegenden Teig nach oben und unten vorsichtig zu einem Rechteck aus und faltest die lange Seite für eine einfache Tour zu je einem Drittel zusammen. Zum Schluss drehst du ihn wieder wie ein Buch mit den Enden nach rechts, dass er aussieht wie auf dem Bild. Das ist die Ausgangsposition für eine weitere Tour.
Wenn du eine doppelte Tour machen möchtest, schichtest du den Teig wie auf dem nachfolgenden Bild zu je einem drittel und zwei dritteln übereinander und faltest den gesamten Teig zusätzlich in der Mitte.
Ruhezeiten
Nach jedem Schritt muss dein Ziehteig ruhen und wieder abkühlen. Dazu den Teig erneut in Backpapier oder Frischhaltefolie wickeln und in den Kühlschrank legen. Nach 30 Minuten kann der Teig ein weiteres Mal bearbeitet werden. Je nach Rezept, können sechs Touren erforderlich sein.
Backwaren formen
In der Regel wird backfertiger Ziehteig 3 mm dick ausgerollt und in die gewünschte Form geschnitten oder geformt und bei 200°C mit Wasserdampf (Schwadengabe) gebacken.
Teigreste verwerten
Sowohl beim Tourieren als auch beim Formen von Plundergebäck können Teigreste anfallen. Wirf sie nicht weg. Sie sind viel zu lecker. Mit etwas Kreativität lassen sich daraus leckere Backwaren zaubern. Hier ein paar Anregungen.
Danish Monkey Bread
Bei Monkey Bread handelt es sich um ein süßes Gebäck aus vielen kleinen Teigkugeln. Das Besondere daran ist, dass man es Stück für Stück auseinanderzupfen und genießen kann. Üblicherweise wird Monkey Bread aus Hefeteig hergestellt. In dieser Version werden Reste eines Plunderteigs verwendet. Zum Rezept…